Effectuation oder klassisches Projektmanagement?

In einem Erfahrungsaustausch mit leitenden Pfarrern von katholischen Kirchengemeinden und mit Unternehmern aus dem BKU ging es um die Themen Vision, Mission und Balanced Scorecard im Kontext der Kirchengemeinde vor Ort.

Das Thema Vision, konnte zügig mit „Heil“ oder „Geschmack vom Reich Gottes“ umschrieben werden. Auch zur Mission bzw. dem Mission-Statement sprudelten die Ideen. Diese variierten naturgemäß in Abhängigkeit der Rahmenbedingungen vor Ort. Überraschend fand ich, dass auch die vier Perspektiven der Balanced Scorecard recht leicht umschrieben werden konnten. Der Bereich der Kunden wurden durch „Nächste/r“ oder „Menschen guten Willens“ ersetzt. Finanzen, Prozesse und Potentiale waren für uns selbsterklärend.

Strategieumsetzung legt den Finger in die Wunde inkonsequenter Organisationsstruktur

Spannend war die Reflexion, wie man einen Strategieprozess starten sollte. Konkret die Frage: Wer sollte alles zu einem ersten Kick-off-Meeting eingeladen werden? Im gewählten Fall gab es eine Gesamtkirchengemeinde, die mit dem Gebiet der Großen Kreisstadt deckungsgleich ist. Die Gesamtkirchengemeinde kann man sich in Form eines kooperierenden Netzwerkes vorstellen: alle finanziellen Aufgaben sind bereits in ein gemeinsames Verwaltungszentrum delegiert. Im gesamten Stadtgebiet existieren mehrere rechtlich selbstständige Seelsorgeeinheiten; diese wiederum bestehen aus mehreren Kirchengemeinden.
Das bedeutet, dass ich z.B. bei der Einladung von Ehrenamtlichen der Kirchengemeinde A auf jeden Fall verdeutlichen muss, warum sie sich als Ehrenamtliche einer Kirchengemeinde mit Themen auseinandersetzen sollten, die nicht einmal auf der übergeordneten Ebene der zuständigen Seelsorgeeinheit, sondern erst auf der Ebene der Gesamtkirchengemeinde anzusiedeln sind.

Schwierigkeiten in der Kommunikation sind absehbar. Verstärkt werden sie durch die Erkenntnis der Organisationslehre, dass es am besten wäre, von drei auf zwei Hierarchieebenen abzuspecken. Leider verhindern bestehende Besitzstände diese schon länger vorliegende Erkenntnis…

Wo besteht der Handlungsdruck?

Die Finanzmittel sinken, die Personaldecke geht weiter zurück, die Anzahl der Gemeindemitglieder schwindet, dazu kommt das oben skizzierte Defizit in der Aufbauorganisation. Dies führt dazu, dass sich bei den Hauptamtlichen die Erkenntnis aufdrängt, dass man nicht wie bisher weiterverfahren kann. Eine Zukunft als Verwaltung des sich entwickelnden Mangels ist absehbar und der Handlungsdruck offensichtlich!

Die Gemeindemitglieder erleben auf der anderen Seite, dass auf der Ebene der konkreten Kirchengemeinde noch praktisch alle Angebote aufrecht erhalten werden – es also keinen offensichtlichen Mangel gibt.

Wie kommen wir ins Konkrete? Vom Detail zum Ganzen oder Top-Down?

Manche Kollegen nahmen die Position ein, dass zuerst auf der Ebene der Gesamtkirchengemeinde für das Anstehende Werbung gemacht werden sollte. Wenn es um Strategiearbeit geht, dann gilt es diese mit all´ denjenigen zu gestalten, die auch für die Umsetzung entscheidend sind.

Auf den ersten Blick war für mich der strategische Ansatzpunkt zu Beginn unserer Reflexion eindeutig: Wo gibt es einen Need? Wo gibt es ein Bedürfnis, das gestillt werden sollte? Dieses gilt es zu identifizieren. Und wenn es sich „nur“ auf der Ebene einer einzelnen Seelsorgeeinheit und nicht auf der Ebene der Gesamtkirchengemeinde verorten lässt, dann heißt es mit dem Strategieprinzip der Effectuation nach möglichen Personen und Institutionen Ausschau zu halten, die die Veränderung mitbewirken wollen.

In der Informationsphase und der Sensibilisierung weit anlegen, in der Konkretion auch kleine Schritte wagen

Bei der Planung der ersten Schritte für den konkreten Anwendungsfall zeichnete sich am Ende unseres Erfahrungsaustausches ein interessantes Bild ab: Natürlich gilt es in der Informationsphase über das Geplante möglichst viele Personen mit an Board zu haben. Doch immer mit dem Prinzip der Freiwilligkeit! D.h. es wird sehr breit eingeladen, doch keinesfalls wird jemand zu dem ersten Workshop als Pflichtveranstaltung abkommandiert oder zwangsverpflichtet. Gleichzeitig ist klar, dass ich mit den wohlwollenden und startbereiten Gemeindemitgliedern den Strategieprozesse starte. Ganz im Sinne der Metapher „der Zug setzt sich in Bewegung“ und er kann auch während der Fahrt Attraktivität gewinnen, sodass weitere Akteure einsteigen. Und außerdem spricht ja nichts dagegen, den Prozess klein zu beginnen (d.h. momentan begrenzt auf eine Seelsorgeeinheit). In zwei Jahren können sich erste Dynamiken und Ergebnisse auf der Ebene der Gesamtkirchengemeinde herumgesprochen haben, sodass dann der passende Zeitpunkt sein könnte, um wirklich breit zur Mitgestaltung einzuladen. Ich bin gespannt, wie sich diese Dynamik entwickelt!

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