Mut zum Erproben – gerade auch kleineren Schritte

Im Umgang mit dem Gebot des physical distancing und der Entwicklung von daraus resultierenden Handlungsoptionen zeigen sich Mind-Sets und darauf aufbauende Handlungsweisen wie unter einem Brennglas.
In meiner Funktion als Schatzmeister in mehreren Rehasportvereinen war und bin ich mit den Folgen des physical distancing konfrontiert. Viele Übungsstätten haben ihre Rehasport-Gruppen ausgesetzt. Infolgedessen konnten und können die Rehasportler/-innen nicht mehr an ihrer gewohnten Rehasport-Gruppe teilnehmen. Die belastenden Folgen für die Gesundheit der Teilnehmer/-innen sind absehbar. Da sind zum einen die negativen Auswirkungen des Bewegungsmangels auf den körperlichen Zustand und zum anderen das fehlende Gruppenerlebnis, das die Rehabilitation unterstützt und einer drohenden Vereinsamung entgegenwirken könnte.

 

Lean und Effectuation im Rehasport

Ich war erleichtert, dass die Krankenkassen auf Initiative der IG-Rehasport, bei der unser Partnerunternehmen Rehasport im Verein Mitglied ist, bereits innerhalb einer Woche eine Regelung für Online-Rehasport gefunden haben. Jetzt bietet sich auch während der Corona-Pandemie den Übungsleitern/-innen die Chance, wenigstens einen Teil der Rehasport-Gruppen wieder stattfinden lassen zu können. Für mich ein mustergültiges Beispiel, wie ein Handlungsanlass kreativ genutzt wurde, um den Rehasport weiterhin zu ermöglichen. Man könnte sagen, ein gutes Beispiel für die Anwendung von Effectuation. Und das Ganze in vollem Bewusstsein, dass davon nicht alle Rehasport-Gruppen (wie z.B. Herzsport, im Wasser und Mehrfachbehinderte) profitieren können. Des Weiteren haben nicht alle Rehasportler/-innen Zugang zu Smartphone, Tablet, Laptop oder PC bzw. sind nicht mit deren Nutzung vertraut.

Rehasport Zuhause

 

In der Regel haben die Rehasport-Fachverbände, die bei uns in Deutschland dem föderalen Prinzip entsprechend organisiert sind, die Kostenübernahmeerklärung der Krankenkassen für Online-Rehasport während der Corona-Pandemie positiv aufgenommen. Seit letzter Woche finden erste Rehasport-Gruppen wieder online-gestützt statt. Jetzt gilt es, aus den Erfahrungen zu lernen und das Angebot für möglichst viele Arten von Rehasport-Gruppen zugänglich zu machen. In der Sprache der Industrie spricht man von Lean-Management. Dabei nimmt man sich ein überschaubares Ziel vor, erprobt die Realisierung, lernt aus der dieser, um das Ziel weiterzuentwickeln und feiner zu justieren. Mike Rother spricht hier auch von der Lean-KATA.

 

Klassische Denkmuster der Fachverbände in NRW nicht lösungsorientiert

Verblüfft hat mich die Reaktion des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen und des Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes Nordrhein-Westfalen, die sich für NRW mit einer klaren Ablehnung des „Tele-Rehabilitationssport“ positioniert haben. Inhaltlich werden in deren Positionierung alle Punkte angeführt, die die Umsetzbarkeit auf einen Teil der Rehasport-Gruppen und Rehasportler/-innen einschränken. Mit dem Resümée, wenn man es auf den Punkt formuliert: Wenn es nicht für alle möglich ist, dann soll es für niemanden möglich sein. D.h. lieber erhalte ich den Status Quo (Rehasport-Gruppen finden generell nicht statt), als es zu ermöglichen (wenigstens ein Teil der Rehasport-Gruppen kann stattfinden).

 

Für mich tritt hier ein klassisches Denkmuster zutage, das die Realisierung von Lösungen erst dann gestattet, wenn im Vorfeld alle Eventualitäten bis ins Detail diskutiert und geklärt sind. Es gibt zurecht Anwendungsfälle, bei denen eine solche Vorgehensweise zu empfehlen ist. Das sind u.a. all die Entscheidungen, die nicht reversibel sind. Ich denke hier z.B. an die ärztliche Entscheidung über eine medizinisch notwendige Amputation oder die Ausweisung eines neuen Baugebietes. Bei Entscheidungen, die reversibel sind und bei denen die hohe Chance besteht, während der Realisierung fortlaufend zu optimieren, scheint mir dieses klassische Denkmuster nicht adäquat zu sein.

 

Vielleicht ergibt sich nach der Bewältigung der Corona-Pandemie die Möglichkeit, dieses Thema vertieft zu reflektieren. Ich glaube, das würde unserem Umgang mit Ungewohntem und Neuem gut tun. Und könnte ein Beitrag sein, als Land der Dichter und Denker auch das im globalen Vergleich notwendige Entwicklungstempo zu realisieren – ohne deshalb in die Gefahr der Oberflächlichkeit abzugleiten. Ich würde mich freuen!

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